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Wundheilung durch "Tauchen"?www.gesundheitsoekonomie.org, www.hyperbarkliniken.deProf. Dr. H. Englisch, Leipzig Auch wenn es absurd klingt, an dieser Überschrift ist etwas dran: Die Überdruck-Therapie (auch Hyperbar-Therapie oder HBO-Therapie genannt) ist ein Verfahren der Spitzenmedizin [1], das bei schlecht heiloenden Wunden eingesetzt wird. Dabei taucht der Patient nicht wirklich, sondern er steigt in eine Überdruck-Kammer, die sich in der Klinik nicht von der Stelle bewegt. Stattdessen wird der Druck in der Kammer erhöht, wobei das Personal gern in Analogie zum Wassersport verkündet: "Jetzt haben wir die vorgesehene Tauchtiefe von 15 m erreicht." In dieser "Tiefe" setzen die Patienten Masken auf, um reinen Sauerstoff zu atmen. Dabei wird die Erkenntnis ausgenutzt, daß bei Überdruck der Sauerstoff auch physikalisch im Blut gelöst wird und nicht nur an die roten Blutkörperchen gebunden ist. Das erhöhte Sauerstoffangebot beeinflußt viele Krankheiten positiv, die auf eine schlechte Durchblutung zurückzuführen sind. Als Spätfolge des Diabetes werden zur Zeit noch 7 von 1000 Diabetikern jährlich amputiert [2]. Diese Zahl liegt um etwa den Faktor 25 über den von Nichtdiabetikern. Die Internationale Diabetes Föderation forderte schon 1990, daß die Amputationsrate um mindestens 50% reduziert werden muß. Mit der Überdruck-Therapie gibt es die Möglichkeit zur Erreichung des Ziels. Zwei 1996 erschienene Studien [3, 4] besagen sogar, daß 75-85% der Amputationen vermieden werden können. Auch wenn die Überdruck-Therapie beim diabetischen Fuß mit 8.000-24.000 DM Behandlungskosten auf den ersten Blick recht teuer erscheint, ist sie wesentlich kostengünstiger als die Amputation mit langem Aufenthalt in der Intensivstation - abgesehen von den ethischen Gründen, die gegen die Amputation sprechen: Mit ihr geht ein hoher Verlust von Lebensqualität einher; außerdem versterben ca. 30% infolge der Amputation [5]. Unglücklicherweise hat der Ausschuß der Ärzte und Krankenkassen in Deutschland die Amputation als Leistung anerkannt, die von den gesetzlichen Krankenkassen zu bezahlen ist, aber noch nicht die Überdruck-Therapie als innovatives Verfahren, für das angeblich nicht genügend wissenschaftliche Studien vorliegen [6]. Wer einen Internetzugang besitzt, darf diese Argumentation als überholt anzweifeln [7]. Da die Kassen immer mehr gezwungen sind, ökonomisch zu denken, ist zu erwarten, daß in Zukunft zumindest in Einzelentscheidungen die Überdruck-Therapie bei schlecht heilenden Wunden genehmigt wird. Die Berufsgenossenschaften und Privaten Krankenkassen gehen mit gutem Beispiel voran. Die Überdruck-Therapie ist auch bei vielen weiteren Krankheiten angezeigt: Bei Verbrennungen, Rauchgasvergiftungen und Tauchunfällen kann die schnelle Therapie lebensrettend sein, bei anderen Krankheiten wie Tinnitus, Hörsturz, Schlaganfall, Migräne und Multiple Sklerose gibt es schon viele Belege für den Nutzen der Therapie [8]. Die Versicherten in der Region Leipzig können davon profitieren, daß in Leipzig neben Jena die einzige von ursprünglich 8 selbständig betriebenen Druckkammern Ostdeutschlands weiter besteht. Im September öffnet außerdem die Dresdner Druckkammer wieder ihre Pforten. Weiterhin sind für Vertreter der Selbsthilfegruppen der oben genannten Krankheiten "Schnupper-Tauchfahrten" geplant; die Gruppen werden über die Termine noch informiert. Literatur
Erschienen in Schlagzeile/n 3/2001 PS: Im November 2002 wurde das Zentrum für Hyperbarmedizin am Klinikum St. Georg Leipzig GmbH eröffnet. |