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Beitrag zum Buch "Angewandtes Gesundheitsmarketing", Hrsg: Hoffmann/Mai/Schwarz


Kommunikationspolitik von Krankenhäusern - Beispiele aus Mitteldeutschland


1. Einleitung
Seit 2004 erscheint einmal pro Woche der Newsletter von Gesundheit-Sachsen.de. Von den ca. 40 Nachrichten in jedem Newsletter betreffen mindestens eine Handvoll die Krankenhäuser in der Region. In Vorbereitung der Newsletter von Gesundheit-Thüringen.de und Gesundheit-Sachsen-Anhalt.de - die erste Ausgabe zu Thüringen erschien im Juni 2012 - werden seit mehreren Monaten Nachrichten zur Gesundheitswirtschaft in Mitteldeutschland für Twitter aufbereitet. Ein Redakteur muss nicht Marketing studiert haben, um zu registrieren, dass die Kommunikationsaktivitäten der Krankenhäuser zugenommen haben. Im Folgenden soll mit Beispielen aus Mitteldeutschland belegt werden, wie vielfältig Krankenhausleitungen und ihre Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit auf die Kommunikationsanforderungen reagieren. Bei der Änderung eines Krankenhausnamens wird man zuerst an Markenbildung denken, beim Domainnamen spielt dagegen die Nutzerfreundlichkeit eine entscheidende Rolle. Bei den Kommunikationsinstrumenten wird die Palette von "Klassisch" (Papier) bis "Modern" (Web 2.0 und Video) im Schnelldurchgang gestreift.

2 Branding - Die Wahl des Kliniknamens
Damit ein Markenname ("brand") seine Wirkung entfalten kann, ist Kontinuität nötig. Gerade im Klinikbereich kommt es gelegentlich zu Eigentümerwechseln, die Anlass für einen Namenswechsel sein können. Dass die Vergabe eines neuen Namens bei Eigentümerwechsel nicht zwangsläufig der Fall ist, zeigen die Rhön-Kliniken, die in Mitteldeutschland eine Reihe von Kliniken übernommen haben, ohne auf einen Namenswechsel zu bestehen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass es der Bevölkerung leichter fällt, sich weiterhin mit "ihrem" Krankenhaus zu identifizieren, auch angesichts mancher Vorbehalte gegenüber Klinikprivatisierungen. Der Leipziger geht somit weiter in sein "Park-Krankenhaus" und der Bewohner aus Weimar und Umgebung in die "Zentralklinik" (Bad Berka). Im Zuge der Übernahme haben die Rhönklinik-Manager zudem den sperrigen Namen "Park-Krankenhaus Leipzig-Südost GmbH" zu "Park-Krankenhaus Leipzig" verkürzt, da es weder in Nordwest noch einer anderen Himmelsrichtung ein zweites Park-Krankenhaus in Leipzig gab. Nicht einmal in Deutschland gibt es ein weiteres "Park-Krankenhaus".

Das "Park-Krankenhaus" wurde auf Feldern am Stadtrand von Leipzig gebaut, von Park ist nicht viel zu sehen. Aber der Name, der an die Zeit des Park-Krankenhauses in Leipzig-Dösen anknüpft, klingt doch gut! Sogar das Logo knüpft mit seinem zarten Grün noch an die idyllische Lage in Dösen an!

Auch Rhönklinik-Manager in anderen Ecken des Landes bewiesen Geschick bei der Namenswahl: Als die Kliniken Freital und Dippoldiswalde zu zwei Standorten einer Klinik vereint werden sollten, zogen sie den Namen "Weißeritztalkliniken" (je kürzer, desto besser: Weißeritzkliniken wäre eine Alternative) dem Begriff "Weißeritzkreiskliniken" in ahnungsvoller Voraussicht vor, denn dieser Kreis ging 2008 in den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf.

Bei anderen Kliniken spuken nicht mehr vorhandene Kreise im Namen herum: Eine schön kurze, aber recht kryptische Domain in Sachsen ist "lmkgmbh.de", dahinter verbirgt sich die Landkreis Mittweida Krankenhaus gGmbH.

Das Krankenhaus in Glauchau hat sich 1989 den Namen "Rudolf Virchow" zugelegt, auch wenn das Haus keinen Bezug zu diesem Mediziner hatte und es schon in Berlin ein Virchow-Klinikum gab. Hätte sich das Haus den Namen von-Wolffersdorf-Klinik gegeben, wäre der Bezug da und die sächsischen Augenärzte wären nicht die einzigen, die an von Wolffersdorf erinnerten.

Die Helios-Kliniken waren so schlau, ihrem Klinikum in Plauen den Beinamen "Vogtlandklinikum" zu lassen, auch wenn davor in Großbuchstaben (bei BILD abgekupfert?) HELIOS prangt.

Weiterhin sollten Markennamen positive Assoziationen hervorrufen. Einen Erfolg erlangten die Verantwortlichen in Hoyerswerda bei der Umbenennung von "Klinikum Hoyerswerda" in "Lausitzer Seenland Klinikum" im Jahr 2010. Vor 2 Jahren trauten wir uns schon zu formulieren "Wird Hoyerswerda ein Paradebeispiel für Managementlehrbücher?", jetzt wird der Geniestreich der Umbenennung auch im Geschäftsbericht der Sana-Kliniken 2011 gewürdigt: "Lausitzer Seenland Klinikum: neuer Name - neue Wege: Mit Lausitzer Seenland Klinikum erhielt das Haus im Jahr 2010 nicht nur einen neuen Namen - es löste sich zugleich vom negativen Image der Vergangenheit und festigte seine Rolle als größter Arbeitgeber vor Ort mit über 1.000 Beschäftigten."

Der Name "Klinikum Hoyerswerda" war assoziiert mit Insolvenzgefahr, Notlagentarifvertrag, Weggang von Ärzten und Todesfällen im Kreißsaal. Auch die Nachrichten zur Stadt Hoyerswerda waren eher negativ geprägt (z. B. zunehmende Vergreisung der Bevölkerung, Verlust des Kreissitzes 1995 und Verlust der Kreisfreiheit 2008). Mit der Umbenennung in Lausitzer Seenland Klinikum unterstreicht das Klinikum selbstbewusst, nicht nur ein kommunales Krankenhaus zu sein, sondern für eine Region zuständig zu sein, die bis ins südliche Brandenburg reicht. Hoyerswerda ist außerhalb Sachsens wenig bekannt, "Seenland" klingt jedoch nach einem Arbeitsplatz in einer lebenswerten Region, dort, wo andere Urlaub machen.

Klinik für Viszerale oder Viscerale Abdominalchirurgie des Bauches?
Bei der Bezeichnung für seine Klinik sollte sich der Arzt überlegen, ob der potentielle Patient sie verstehen soll oder der Kollege damit beeindruckt werden soll.

Hat der Hallenser Patient der Saale-Klinik sich z.B. mühsam eingeprägt, was sich hinter Abdominalchirurgie verbirgt, wird er in anderen Kliniken seiner Stadt mit dem Begriff Viszeralchirurgie (bzw. Visceral-) gequält. In Mitteldeutschland gibt es eine Klinik, die sich traut, das profane Wort "Bauchchirurgie" zu benutzen.

Ein anderes Beispiel: Die Leipziger Uniklinik weiß noch nicht, ob sie das "Spezielle" in ihrer neuen "Abteilung für Plastische, Ästhetische und S/spezielle Handchirurgie" mit kleinem oder großem "S" schreiben soll.
2 Vorschläge zur Güte:
1. Wenn man das Wort "Speziell" weglässt, wird der Name kürzer und der Patient muss weder über die Schreibweise grübeln noch, was das Spezielle an der Handchirurgie ist und ob es eine Klinik für Allgemeine Handchirurgie gibt
2. Wenn die Reihenfolge zu "Hand-, Plastische und Ästhetische Chirurgie" geändert wird, vermutet der Patient nicht, dass "Plastisch" und "Ästhetisch" Attribute zu "Handchirurgie" sind. Lässt man zudem noch eins der Attribute "Plastisch" oder "Ästhetisch" weg, so kann der Patient nicht mal mehr grübeln, was die feinen Unterschiede zwischen den beiden Attributen sind.

3 Kommunikationsinstrumente
3.1 Klinikzeitschriften
Als Kommunikationsinstrument weit verbreitet sind Klinikzeitschriften, die sowohl der externen als auch der internen Kommunikation dienen. Die Chemnitzer Klinikzeitschrift "Klinoskop" wurde kürzlich für den "Health Media Award" in der Kategorie Publizistik nominiert. Die Hochglanz-Zeitschrift mit knapp 100 Seiten erscheint fünf Mal im Jahr und ist auch im Internet verfügbar (das Archiv reicht bis 2003 zurück). Verbreitet wird die Zeitschrift insbesondere dadurch, dass das Klinikum die Zeitschrift an Arztpraxen verschickt, die die Zeitschrift z.T. nach dem Durchblättern ins Wartezimmer legen. Anspruchsvolle Kulturbeiträge (wie "Die Ikonen des russischen Realismus" im Heft 1/2012) könnten den Patienten interessieren, den die übliche Wartezimmerlektüre zwischen Bild und Bunte abschreckt.

Das Patientenmagazin der Leipziger Uniklinik wurde mit dem Deutschen PR-Preis geehrt. Diese 24-seitige Zeitung erscheint seit 2005 aller 14 Tage in Zusammenarbeit mit der Leipziger Volkszeitung. Der damalige Chefredakteur des Magazins, Heiko Leske, ist inzwischen zum Rhönkonzern gewechselt und konnte dort mit einer anderen Idee für Aufsehen sorgen: Beim Kommunikationskongress der Gesundheitswirtschaft 2012 sprach er mit Mitstreitern unter dem Titel "Warum das Park-Krankenhaus Leipzig mit seinem Klinikfernsehen an manchen Tagen bis zu 400.000 Zuschauer erreicht" zur Patientenkommunikation in der Straßenbahn. Er widmet sich damit einem Medium, das im nächsten Kapitel näher beleuchtet werden soll.

3.2 Fernsehen und Videos
Redaktionelle Beiträge: Eine Marketingmaßnahme, die kein Geld, aber möglicherweise einen großen organisatorischen Aufwand kostet, sind Auftritte in Gesundheitssendungen, z. B. der Dritten Programme. Gegenüber klassischer Werbung zeichnen sich derartige Beiträge vor allem auch durch eine höhere Glaubwürdigkeit aus. In der Sendung "Hauptsache Gesund" wird beispielsweise stets ein Experte zum jeweiligen Thema eingeladen, oft Professoren von einer der fünf mitteldeutschen Medizinfakultäten. Teilweise sind aber auch Vertreter kleinerer Häuser zu Gast. Beim Thema "Fit ins Alter" stand z. B. ein Facharzt aus der Geriatrischen Fachklinik Georgenhaus in Meiningen als Interviewpartner zur Verfügung.

Image-Videos: Eine weitere Möglichkeit, mit Hilfe von audiovisuellen Medien Aufmerksamkeit zu erlangen und die Zielgruppe zu informieren, sind, die sich auf YouTube oder die Klinikwebsite einbinden lassen. Die Leipziger Uniklinik ist als einzige Uniklinik unter die ersten 20 deutschen Kliniken mit YouTube-Kanal gelangt. Das Video "Universitätsmedizin Leipzig - Unser Baby kommt" findet bei YouTube-Nutzern großen Zuspruch, denn gerade Schwangere wägen sehr intensiv ab, in welches Haus sie zur Entbindung fahren möchten. Die Leipziger machen zudem ihren Chemnitzer Kollegen vor, dass man nicht das komplette Register an Fachbegriffen ziehen muss.

Die Rehaklinik in Kreischa, eine der größten in Deutschland, bewies mit ihrem allgemeinen Klinikvideo, dass man auch ohne Geburtshilfe auf über 10.000 Zugriffe im Jahr kommen kann. Ermutigt von solchem Interesse, wagte man sich mit dem Video "Chronisch kritisch-krank" an eine noch schwierigere Thematik heran. Es wurde sogar in die englische, spanische, portugiesische, russische, arabische, italienische und griechische Sprache übersetzt.

3.3 Online-Marketing
An immer größerer Relevanz gewinnt für Kliniken zudem das Online-Marketing, wobei im Folgenden zwischen Maßnahmen im Bereich der Klinikwebsite und im Web 2.0 (z. B. Wikipedia, Twitter) unterschieden werden soll.

Domain-Name
Bei der Änderung eines Krankenhausnamens wird die Markenbildung im Vordergrund stehen, beim Domainnamen spielt dagegen die Nutzerfreundlichkeit eine entscheidende Rolle. Beim Domainnamen sind die Entscheidungen nicht so weitreichend wie beim Kliniknamen: Für ca. 10 Euro/Jahr kann man schon eine Domain erwerben, da kann sich eine Klinik auch mehrere zulegen nach dem Motto: Egal, ob der Patient das Krankenhaus mit oder ohne Bindestrich schreibt, er landet sofort auf der richtigen Klinikseite ohne Fehlermeldung und anschließender Googelei.

Bei der Domainwahl war das schon erwähnte Park-Krankenhaus nicht konsequent: Da das Krankenhaus mit Bindestrich geschrieben wird, hätte man "park-krankenhaus-leipzig.de" wählen müssen. Diese Domain gehört zwar dem Rhön-Konzern, wird aber nicht kommuniziert. Sie verweist ebenso wie die "offizielle" Domain "parkkrankenhaus-leipzig.de" auf den gleichen Inhalt, leider weitergeleitet zur Konzern-Domain rhoen-klinikum-ag.com anstelle auf parkkrankenhaus-leipzig.de. "Deep links" auf einzelne Unterseiten wie parkkrankenhaus-leipzig.de/rka/cms/pkl_2/deu/presselist_0.php sind zwar möglich, aber welcher Online-Redakteur wird den Aufwand treiben, wenn sich nicht einmal der Konzern die Mühe gibt!

Schlecht dran ist das Dresdner Herzzentrum mit dem Domainnamen: Der lautet nämlich "herzzentrum-dresden.com". Die naheliegende Variante "herzzentrum-dresden.de" gehört der Dresdner Praxisklinik - ist da keine Einigung möglich? Noch grotesker sieht es beim Wald-Klinikum (mit Bindestrich!) Gera aus: Die offizielle Domain lautet "waldklinikumgera.de", obwohl es in Thüringen noch ein Waldklinikum ohne Bindestrich gibt. Die naheliegendere Domain "waldklinikum-gera.de" gehört einer Firma in Panama bzw. "wald-klinikum.de" und "wald-klinikum-gera.de" gehören zwar dem Wald-Klinikum, werden aber nicht weitergeleitet. Die Idee, ein Kulturkrankenhaus ("kulturkrankenhaus.de") in Gera zu etablieren ist zwar nett, aber wie viel geht von dem dadurch gewonnenen Renommee durch Unbedarftheit in der Internetkommunikation wieder verloren?

In der Kürze liegt die Würze
Gelungen sind die Domainnamen des Lausitzer Seenland Klinikums (kurz "seenlandklinikum.de" anstelle von "lausitzer-seenlandklinikum.de") und der Zentralklinik Bad Berka (kurz "zentralklinik.de" statt "zentralklinik-bad-berka.de"). Noch zupackender war man in den Kliniken Erlabrunn: Betreiber der Domain "erlabrunn.de" ist nicht die Gemeinde Breitenbrunn mit ihrem Ortsteil Erlabrunn, sondern das Klinikum!

Welche Informationen findet man auf der Klinikwebseite?
Der Internetauftritt gestattet es, Informationen nach Zielgruppen spezifisch für Patienten und deren Besucher, Einweiser, Lieferanten aufzubereiten. Denn nicht nur die Patienten bevorzugen gute Internetseiten. Laut einer Studie des DocCheck-Portals nutzen knapp 1/3 der Zuweiser die Klinikwebsites als Informationsquelle, um die passende Klinik für ihre Patienten zu finden.

Die Patienten-Website des Park-Krankenhauses Leipzig ist ein Beispiel für einen gelungenen Internetauftritt. Als vor zwei Jahren ein Vortrag zu Klinikwebseiten zu halten war, haben Studenten die Patienteninfo des Park-Krankenhauses als gutes Beispiel herausgefischt. Auch aus heutiger Sicht kann sich die Seite sehen lassen, Kleinigkeiten wie die Umweltzone in Leipzig könnten unter dem Punkt Auto noch ergänzt werden. Erstaunlich ist, dass das Herzzentrum zwar baulich mit dem Park-Krankenhaus verbunden ist, die Zusammenarbeit bei der Erstellung patientenfreundlicher Klinikseiten aber offensichtlich unterentwickelt ist: Die entsprechende Patienteninfo des Herzzentrums ist schwerer zu finden und nicht so übersichtlich gestaltet.

Seit Jahren gibt es einen Wettbewerb zur besten Klinikwebsite Deutschlands. Im vergangenen Jahr beteiligten sich 544 Kliniken bzw. Klinikketten, d.h. ca. 30 % aller deutschen Krankenhäuser. 2010 landeten die Helios-Kliniken auf Platz 6, zwei Jahre zuvor nahm das Klinikum Chemnitz diese Position ein. Das Chemnitzer Klinikum ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern ließ sich neben 334 weiteren Kliniken (u.a. auch das Dresdner St. Joseph-Stift) erfolgreich als patientenfreundliche Website zertifizieren. Die Kriterien sind relativ allgemein gehalten ("Patienten und Besuchern wird auf der Homepage beschrieben, wo sich die Klinik befindet und wie sie diese am besten erreichen können."), es wird also weder der Hinweis auf die (vorhandene oder fehlende) Umweltzone verlangt, noch ein Routenplaner, noch ein Link auf die Fahrpläne des Nahverkehrs (sofern diese im Internet stehen).

Ein Eigentor schossen sich die Akutkliniken in Borna und Zwenkau: Sie findet man nicht wie alle anderen Helios-Kliniken alphabetisch nach dem Ortsnamen eingereiht, sondern unter "L" wie "Leipziger Land". Die Rehaklinik Zwenkau findet man dagegen unter "Z".

Und noch eine Ungeschicktheit der Helios-Kliniken: Interessiert man sich nur für die Pressemitteilungen einer einzelnen Klinik, z.B. Borna, so findet man die 10 neuesten Pressemitteilungen auf einer Seite. Möchte man aber die neuesten Mitteilungen z.B. aus Mitteldeutschland auf einen Blick erfassen, so liefert die bundesweite Presseseite zwar die 10 neuesten Meldungen, aber welche Klinik sich dahinter verbirgt, ist nicht immer erkenntlich. Bei einer Ankündigung wie vom 04. Juni 2012 "44 Tore für den guten Zweck - Mitarbeiterkinder der HELIOS Kliniken trafen sich zum Fußballturnier Weiterlesen ..." muss man erst auf die Meldung klicken, um zu erfahren, welche Kliniken betroffen sind.

Da stellen sich die Rhön-Kliniken mit der Liste aller Pressemitteilungen des aktuellen Jahres mit Nennung der Klinik schlauer an, bei Bedarf kann man nach dem Bundesland filtern oder schnell die fleißigsten Presseabteilungen ermitteln: 2011 waren das in Mitteldeutschland die Zentralklinik (61 Meldungen), gefolgt vom Park-Krankenhaus (38) und dem Herzzentrum Leipzig (36).

Wie rund ist der Kreissaal?
Von dem Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit in einer Klinik sollte man doch erwarten dürfen, dass er "Kreißsaal" korrekt schreiben kann! Die gleiche Klinik mitten in Mitteldeutschland, die einen Saal mit dem falschen "s" vorhält, mutet andererseits ihren Lesern Begriffe wie "Lactationsberaterin" zu.

Ist die Internetseite für mobile Endgeräte geeignet?
Wer die jüngere Generation mit seiner Internetseite ansprechen will, z. B. der seiner Geburtshilfe, sollte bedenken, dass viele mit mobilen Geräten ins Internet gehen. Dafür sind die Klinikseiten zu optimieren. Die Techniker Krankenkasse geht als Vorbild voran: Der Klinikführer steht als mobile Version zur Verfügung. Mittlerweile hat die Krankenhausgesellschaft auf Bundesebene nachgezogen: Wer sich noch eine kostenlose App heruntergeladen hat, kann sich die nächstgelegenen Krankenhäuser sogar anzeigen lassen, ohne den aktuellen Standort eintippen zu müssen.

Welche Informationen findet man bei Wikipedia?
Marketing-Verantwortliche sollten sich bewusst sein, dass Internetnutzer nicht nur die Klinik-Website besuchen, sondern sich bspw. auch auf wikipedia.de relevante Informationen einholen. Wenn Sie der Meinung sind, dass wichtige Informationen über Ihr Haus bei Wikipedia fehlen, so lassen Sie sich am besten von wikierfahrenen Internetnutzern helfen.

Entsprechend den Relevanzregeln von Wikipedia haben Schwerpunktversorger Anspruch auf einen eigenen Artikel, Regelversorger nur bei Vorliegen von Besonderheiten (z. B. Radebeul als erste Krankenanstalt in der Dresdner Umgebung). Trotzdem gibt es noch viele Schwerpunktversorger ohne eigene Wikiseite. In Sachsen sind das derzeit 70%. Aber auch wenn das Krankenhaus für einen eigenen Artikel nicht relevant genug ist, so sollte es auf der Seite der zugehörigen Stadt bzw. des Kreises zu finden sein.

So findet man den Hallenser Maximalversorger Bergmannstrost unter der eigenen Wiki-Seite, aber auch unter der Seite des Bundeslandes und der Stadt, während der Schwerpunktversorger Zentralklinik Bad Berka auch einen eigenen Wikieintrag hat sowie unter Bad Berka zu finden ist, aber sowohl unter dem Landkreis als auch unter dem Bundesland fehlt.

Eigentlich sollten alle Aussagen, die man bei Wikipedia findet, belegbar sein. Unter der Wikiseite des Leipziger Herzzentrums steht, es sei das "größte Herzzentrum der Welt", unter der Klinikseite findet sich kein Beleg für diese Aussage. Da werden wir uns wohl gedulden müssen, bis unter Wikipedia die Liste der größten Herzzentren zu finden ist.

Sollten Kliniken Nachrichten twittern?
Twitter ist nicht nur bei Jugendlichen beliebt; es kann auch dazu dienen, Fachkreise oder Laien zu informieren, was es Neues im Krankenhaussektor gibt. Die Helios-Kliniken nutzen diesen Informationskanal bereits, jedoch noch nicht systematisch genug. Im Jahr 2012 sind bisher fünf Nachrichten erschienen, in denen auf ausführlichere Pressemitteilungen verlinkt wurde. Die Themen richteten sich bislang vor allem an die Zielgruppe Patient (z. B. übermäßiges Schwitzen und Gartenarbeit). Informationen für andere Zielgruppen (z. B. ein Angebot an die Rhönklinik-Aktionäre) findet man jedoch bislang nur unter den Pressemitteilungen. Aber 5 Meldungen sind immerhin mehr als bei Mediclin: 0.

Unter Gesundheit_md findet man z. B. pro Tag eine wichtige Gesundheitsmeldung zu Mitteldeutschland (analoge Twitteradressen für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es mit den Endungen sn, st bzw. th). Was spricht eigentlich dagegen, dass ein Krankenhaus oder eine Klinik-Gruppe auch ihre Leser in der Region regelmäßig mit Informationen per Twitter versorgt? Noch hat man die Chance, damit Aufmerksamkeit in den Medien zu finden, etwa der Art "Krankenhaus XYZ twittert regelmäßig die wichtigste Meldung der Woche". Derzeit haben nur 7% der deutschen Krankenhäuser einen Twitter-Account.

3.4 Werben mit Qualität
Platz 3 ist sehr gut, Platz 23 auch?
Unter den 25 führenden Kliniken des Ende Mai 2012 veröffentlichten Focus-Rankings befinden sich 24 Unikliniken sowie das Klinikum Augsburg, der einzige Maximalversorger in Bayerisch-Schwaben (ca. 1,8 Mill. Einwohner) mit ca. 1750 Betten.

Selbstverständlich ist, dass sowohl die Dresdner Uni als drittplatzierter als auch Augsburg mit Platz 20 ihre hervorragende Bewertung in Pressemitteilungen kundtun.

Aber wie geht man als Uniklinikum mit dem 23. Platz um? Platz 23 bei ca. 2000 Krankenhäusern klingt sehr gut, zweitbeste Klinik in Mitteldeutschland klingt immer noch sehr gut, Platz 22 unter 34 Unikliniken (Kiel und Lübeck wurden getrennt gewertet) klingt nicht mehr so umwerfend - aber das muss man ja auch nicht kommunizieren. Stattdessen nutzt die Jenaer Pressemitteilung die Möglichkeit, Stärken herauszustreichen.
Anders reagierte die Leipziger Uniklinik (Platz 24 unter den Uniklinika), die in der Woche des Erscheinens des ersten Focusartikels dem interessierten Leipziger Leser mit solch atemberaubenden Schlagzeilen wie "Medizinische Unterstützung für Republik Moldau", "Neu am UKL: Plastischer und Hand-Chirurg Prof. Stefan Langer leitet neue UKL-Abteilung" und "Adipositas-Gene entlarven - Spitzenförderung für Nachwuchsforscher" zwar die Gewissheit gibt, dass die Klinik-Presseabteilung trotz eines Darmkeims weiterarbeiten darf, aber ob "seine" Uniklinik z.B. vor den Uniklinika in Halle und Magdeburg gelandet ist, erfährt der Leipziger dadurch leider nicht.

Dagegen verkündet die Hallenser Uniklinik, dass sie die beste Klinik in Sachsen-Anhalt sind; man muss ja nicht auf Teufel komm raus sich mit Unikliniken in Mitteldeutschland vergleichen.

Selbstverständlich ist es eine Meldung wert, wenn ein Regelversorger in Sachsen beim Ranking 9 Schwerpunktversorger hinter sich lässt, das Chemnitzer Bethanien hat das richtig erkannt; während sich das Marienstift aus Arnstadt damit begnügt, ein Geheimtipp zu bleiben, der in der Orthopädie besser als vier der fünf mitteldeutschen Uniklinika abschneidet.

H. G. Wells: "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write."
2010 erschienen die ersten Pressemitteilungen von Kliniken, die an der wohlklingenden "Initiative Qualitätsmedizin" teilgenommen haben. Sie verkündeten, bei welchen Indikationen in ihrem Krankenhaus die Sterblichkeit gut und wo sie unbefriedigend war. Kein Wort zur Signifikanz der Daten zu dieser Zeit, und zwei Jahre danach immer noch nicht. Sollte man als Darmpatient Angst vor der Uniklinik Halle haben? Sterblichkeit bei der Dickdarmentfernung war 2011 14,3%, während der Bundesdurchschnitt bei 5,5% liegt! An der Uni Halle wurden 14 solche Operationen vorgenommen, dabei gab es 2 Todesfälle. Angenommen, in Halle läge die Todesrate exakt auf Bundesniveau 5,5%; dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass es bei 14 Operationen zu mindestens 2 Todesfällen kommt, immerhin ca. 18%. Sollten einem also nicht zu 2 Todesfälle in Halle zu denken geben, sondern die geringen Operationszahlen? Aber auch nebenan im Bergmannstrost sieht es nicht viel besser aus: Dort gibt es nur 12 solche Operationen, dafür gibt es nur einen Todesfall.

Die Leitlinien Guter Epidemiologischer Praxis betreffen m. E. auch die "Initiative Qualitätsmedizin" zu, so dass die dortige Leitlinie 11 sinngemäß anzuwenden ist: "Epidemiologische Studien, deren Anliegen die Umsetzung von Ergebnissen in gesundheitswirksame Maßnahmen ist, sollten ... eine qualifizierte Risikokommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit anstreben." Bevor man also mit Todesstatistiken Patientenströme lenkt, sollte man die Bevölkerung darüber aufklären, ob die Daten dazu überhaupt geeignet sind!

Zertifizierung durch die Joint Commission International
Wer Patienten aus dem Ausland anlocken will, hat mit einem internationalen Zertifikat, z. B. dem der Joint Commission International (JCI) bessere Karten. Erstaunlicherweise sind von den 5 Kliniken in Deutschland, die JCI-zertifiziert sind oder waren, drei aus Mitteldeutschland: das Chemnitzer Klinikum, das KKH Greiz und das Städtische Klinikum Görlitz. Sind das wirklich die Häuser mit dem größten Potential zur Gewinnung ausländischer Patienten?

H Englisch

Kurzfassung erschienen in "Angewandtes Gesundheitsmarketing", Hrsg: Hoffmann/Mai/Schwarz (ISBN 978-3-8349-4034-6, Springer Gabler I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH)

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